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Nach der Ankunft im Hotel Montana, dass uns von der Heimleitung empfohlen worden war, packten wir schnell unsere Koffer aus um Mitbringsel für die Kinder im Heim umzupacken. Dann ging es zum Heim.
Das Heim liegt in einer etwas besseren Gegend, ist funktionell erbaut, innen einfach (Kalkwände, wenige Bilder, einfache Stühle und Betten) aber sehr sauber. Insgesamt 24 Nanna´s kümmern sich hier um zur Zeit
75 Kinder. Alles einschließlich Wäsche waschen, kochen, sauberhalten und Kinder betreuen, wird von ihnen erledigt.
Unten wohnen die kleineren Kinder, die teilweise auf den Schößen ihrer Nanna´s der allein in einem Stühlchen sitzen, teilweise auf dem Boden spielen oder in ihren Bettchen liegen.
Oben werden wir sofort von einer Kinderschar umringt, die sich insbesondere für meine Filmkamera interessieren. Die Kinder sind alle gut gekleidet, sauber und sie scheinen relativ gesund zu sein. Alle Kinder haben ein Spielzeug in der Hand. Zum Haus gehört ein großer Balkon, auf dem gerade Wäsche zum trocknen hängt. Hier können die Kinder auch spielen. Zudem gibt es eine alte Stereoanlage. Hier wird sicher öfters Musik gehört. Auch während unseres Aufenthaltes stimmen die Kinder plötzlich ein schönes Kinderlied an. Sie wirken insgesamt fröhlich und zufrieden. Das älteste Kind ist 7 Jahre alt. Ältere Kinder müssen in ein anderes Waisenhaus, wo die Kinder dann bis zu ihrem 11. Lebensjahr bleiben können aber wohl nicht mehr an Adoptiveltern vermittelt werden.
Dann: Endlich ist es soweit. Ich bekomme meinen Sohn Louis in die Arme gelegt. Einfach ein unbeschreibliches Gefühl ist das. Ein Glücksgefühl und eine unbeschreibliche Liebe zu diesem unserem Kind ist sofort
da. Louis ist ganz still, wirkt aber nicht ängstlich, sondern ruhig, vielleicht auch etwas angespannt. Noch lacht er nicht, weint aber nicht und schmiegt sich sofort bei mir an, als suche er Sicherheit und Frieden.
Nun verlassen wir relativ schnell das Heim und machen uns wieder auf den Weg zum Hotel. Die Fahrt vergeht unheimlich schnell. Von der Umgebung habe ich während der Rückfahrt keine Notiz genommen. Nur Louis hat mich
in seinen Bann genommen. Er ist ruhig, weint nicht, aber lacht auch nicht. Es sieht so aus als warte er darauf, was jetzt alles passiert.
Schon kurz nach der Ankunft im Hotel ist der Bann ist gebrochen. Louis lacht das erste Mal.
Er ist anfangs noch sehr schwach, er wiegt nur 7kg bei einer Größe von 72 cm. Er leidet noch an einem starken Durchfall. Die ersten Tage brauchen wir täglich frische Bettwäsche, da die Windel die Mengen nicht standhalten können. Louis trinkt nur seine Milch, an festerer Nahrung nippt er nur. Manchmal versucht er zu krabbeln oder sich an Möbelstücken aufzurichten, muß sich aber schnell wieder hinlegen, weil ihm einfach die Kraft dazu fehlt. Seine Haut ist stellenweise rauh, teils rissig, narbig und pickelig. Bei dem bestehenden Verdacht auf eine Scabies (Krätze) habe ich ihn und auch mich bereits am 3. Tag mit einem bereits mitgebrachten Krätzemittel eingerieben. Danach besserten sich die Hautveränderungen während der nächsten 3 Wochen kontinuierlich. Auch das ständige Kratzen ließ nach.
Die Tage im Hotel vergehen sehr schnell. Das Hotel übrigens ist selbst für Mitteleuropäischen Standard gut und empfehlenswert. Die Zimmer sauber, das Essen prima und hygienisch einwandfrei. Wir genießen es
fließend Wasser und immer Strom zu haben, da das Hotel über ein Notstromaggregat und eigenes Wasser verfügt, während sonst nur 6 Std. täglich Strom in Haiti vorhanden ist. Es liegt in einer Anhöhe. Von hier kann man
auf die trostlose Stadt und den in der Ferne liegenden Hafen schauen. Es bedrückt einen sehr hier fast im Luxus zu leben und zu wissen, dass im Tal die pure Armut herrscht. Dennoch bin ich froh mich für diese Hotel
entschieden zu haben, da ich so die Beziehung zu meinem Sohn in Ruhe genießen und aufbauen kann. Besonders wohl fühlt Louis sich im Pool. Er kennt anscheinend überhaupt keine Angst vor dem Wasser und fühlt sich dort
pudelwohl.
Am 24.08.01 ist es endlich so weit, wir fliegen nach Hause. Das gerufene Taxi kommt pünktlich. Zeitig sind wir am Flughafen. Die Atmosphäre am Flughafen ist ruhig. Doch im Flughafen herrscht ein buntes Treiben.
Die Heimleiterin managed das Einschecken. Hier treffe ich auch den 7 jährigen Jungen B., den ich mit nach Deutschland begleiten werde um ihn seinen neuen Eltern zu überbringen. Für ihn ist es die letzte Chance ein
neues sinnvolles Leben zu beginnen, da er sonst in ein anderes Heim gemusst hätte. Es ist ein ganz ruhiger lieber Junge.
Wir unterhalten uns mit Händen und Füßen und mit den paar Brocken Kreolisch, die ich mir zuvor angeeignet habe.
Von zwei anderen Familien, die bereits 1 Stunde vor unserer Maschine losfliegen sollten, hören wir, dass die Maschine Verspätung hat. Eigentlich sollten sie dann mit uns zusammen von Miami weiter bis
Düsseldorf fliegen. Später haben wir gehört, das sie an diesem Tag gar nicht mehr von Port au Prince wegkamen, weil die Maschine gar nicht gestartet ist. Sie erreichten dann erst 2 1/2 Tage nach einer Odyssee
die Heimat.
Der Zwischenaufenthalt in Miami war dann noch mal ein Alptraum... Wir wurden von einer “Eskorte abgeholt da unsere Kinder ja bisher nur einen haitianischen Pass hatten und somit lediglich 8 Stunden Zeit
hatten um Amerika wieder zu verlassen. Wir fühlen uns als hätten wir bewaffnete Verbrecher dabei, und nicht hungrige haitianische Kinder. Die Beamten in der Transithalle, die wir nicht verlassen durften, waren nicht
in der Lage unsere Pässe, Tickets und zuvor von uns ausgefüllte Formulare richtig zuzuordnen, so dass sie uns erst sehr spät zu unserem LTU-Abflugschalter gebracht haben. Krönung war hier eine sich überaus wichtig
vorkommende “Hexe” am Schalter. Statt unsere Sitzplätze zu buchen, meinte sie unsere Adoptionsunterlagen prüfen zu müssen, insbesondere da ich ja noch den Jungen ohne elterliche Begleitung dabei hatte. Anschließend
mußten wir dann noch einmal im Sprint per Privateskorte zu unserem Flieger laufen. Dann ging es noch mal hin und her. Wir durften erst als letzte in den Flieger. Wir durften rein, dann sollten wir wieder raus, bis
wir dann schlußendlich doch noch mitdurften. Wenn ich daran denke, liegen meine Nerven noch heute blank.
Erst in der Luft löste sich die Spannung. Es war geschafft. Wir waren auf dem Weg nach Hause. Nach 9 Stunden erreichten wir alle müde aber überglücklich den Flughafen in Düsseldorf, wo uns unsere Angehörige
überglücklich erwarteten.
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